STATION 10: ERST DIE MEROWINGER
NAVIGATION ZUR STATION: MEROWINGER
Der blaue Marker zeigt Ihre aktuelle Position an, der rote Marker den Standort der Station 10: Merowinger und Franken.
Um sich dorthin navigieren zu lassen, klicken/drücken Sie auf den roten Marker. Es öffnet sich ein Fenster, dort klicken/drücken Sie bitte auf “Routen”.
Es öffnet sich eine Seite, wo Sie angeben können, ob Sie mit dem Auto, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Station geleitet werden wollen.
INFORMATIONEN ZUR STATION 10: ERST DIE MEROWINGER
Der Platz war gut gewählt. Gleich zwei Bäche brachten frisches Wasser vom nahen Ennert, einem bewaldeten Höhenzug, herunter. Der Boden war fruchtbar. Hier würde alles gedeihen, was sie und ihre Tiere zum Leben brauchten, Roggen, Hafer – und Lein, aus dem sie Flachs für die Herstellung von Leinenstoff spinnen konnten.
Also fingen sie an, Häuser zu bauen. Sie rammten Pfosten in den Boden, so nah wie möglich am Bach und doch weit genug davon entfernt, um nicht bei jedem starken Regen und zu jeder Schneeschmelze überschwemmt zu werden. Zwischen den Pfosten schichteten sie Wände aus Ästen und Lehm auf, am Ende legten sie Strohdächer darüber. Eine Siedlung entstand. Vor 1500 Jahren.
Heute soll an derselben Stelle, im Bonn-Beueler Örtchen Bechlinghoven, wieder eine Siedlung entstehen: Einzel-, Doppel- und Reihenhäuser. Doch bevor die Bagger anrollen, durften Archäologen das Gelände untersuchen.
In der Nähe des Mühlenbachs fingen sie an, denn drüben, auf der anderen Seite des Baches, wo heute eine Schule steht, war bereits in den 50er-Jahren ein fränkisches Grab aus dem 6. Jahrhundert gefunden worden. Die Vermutung lag also nahe, dass hier noch mehr zu bergen sein müsste.
Anzeige
Häuser zeugen von großer Siedlung
Tatsächlich entdeckten die Archäologen rasch die ersten Hinweise: Verfärbungen des Erdreichs, einst mussten da Pfosten gesteckt haben. Und diese Pfostenlöcher ließen sich mühelos zum Grundriss eines Hauses ergänzen. Dann kamen Reste von Keramik aus dem Boden, mehr Brösel als Scherben. „Wir dachten erst, die Funde werden bestimmt bald wieder weniger“, sagt die Archäologin Ivonne Weiler-Rahnfeld.
Aber das Gegenteil war der Fall: Kaum hatten sie den Grundriss des einen Hauses vollständig freigelegt, da war schon das nächste Haus zu erkennen. Mittlerweile, nach sieben Jahren Arbeit, sind die Archäologen bei Gebäude Nummer 94 angelangt, dafür haben sie auf beiden Seiten der Bundesstraße 56 eine Fläche von gut 20 Fußballfeldern durchwühlt.
Und auch wenn die Gebäude im Verlauf mehrerer Jahrhunderte und noch bis ins Hochmittelalter entstanden sind, so hat der für die Grabungen zuständige Landschaftsverband Rheinland doch Grund zum Jubel, denn ein großer Teil der Häuser, rund 80 Stück, stammt aus der Zeit zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert. Damit ist der Fundplatz Bechlinghoven eine der größten bekannten merowingerzeitlichen Siedlungen Deutschlands.
Einzigartiger Fund im Rheinland
Für das Rheinland ist dieser Fund sogar einzigartig. Zwar fand man im Rheinland immer wieder Gräber, die aus den dunklen, wenig erforschten Jahrhunderten vor den Zeiten der Karolingerherrschaft stammen. Berühmt sind etwa die fränkischen Gräberfelder von Rommerskirchen oder von Bonn-Ramersdorf, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden. Aber von den Siedlungen aus jener Zeit schien nichts übrig geblieben zu sein. Denn meist wurden sie später überbaut und damit zerstört.
Anders die Bechlinghover Siedlung: Sie wurde irgendwann verlassen – und blieb so im Boden erhalten. „Mit dem jetzigen Fund haben wir endlich einen Nachweis dafür, dass die Franken zur Merowingerzeit nicht nur hier gestorben sind, sondern auch hier gelebt haben“, scherzt die Archäologin Ivonne Weiler-Rahnfeld.
Kurzum: Der Fundplatz habe „eine herausragende Bedeutung für die Wissenschaft“, so verkündet der LVR. Das ist schon daran zu erkennen, dass es sich der oberste Dienstherr aller nordrhein-westfälischen Archäologen nicht nehmen ließ, bei der offiziellen Vorstellung des Funds in Bechlinghoven auf Ledersohlen und im feinen Zwirn höchstselbst durch Matsch und Lehm zu stapfen. Thomas Otten, der Referatsleiter für Bodendenkmalschutz im NRW-Bauministerium, weiß eine solche Grabung sehr wohl einzuschätzen, schließlich ist er gelernter Archäologe.
Zweitens aber eignet sich dieser Sensationsfund bestens, um nach den politischen Querelen um die Bodendenkmalpflege noch einmal deren Wichtigkeit herauszustreichen. Denn 2011 war das in NRW seit jeher praktizierte Verursacherprinzip, wonach ein Bauherr für etwaige archäologische Untersuchungen aufkommen muss, infrage gestellt worden. Erst im Juli dieses Jahres wurde die Rechtmäßigkeit dieses Prinzips mit einer Gesetzesnovelle festgeschrieben.
Und nun konnte Otten am Beispiel Bechlinghoven zeigen, wie gedeihlich, harmonisch und erfolgsgekrönt eine solche per Gesetz erzwungene Zusammenarbeit sein kann, zwischen der Archäologie auf der einen Seite – und dem Bauherrn, in diesem Fall der landeseigenen Projektgesellschaft NRW-Urban, auf der anderen.
Förderprogramm ermöglicht Arbeit der Archäologen
Und noch eine weitere aktuelle politische Dimension hat diese Ausgrabung: Wären die Zuschüsse für die Archäologie tatsächlich so zusammengestrichen worden, wie es im ursprünglichen NRW-Haushalt vorgesehen war, so wären die Funde von Bechlinghoven wohl auf unbestimmte Zeit in den Depots des Landschaftsverbands verschwunden – unausgewertet.
So aber, unterstützt vom Denkmalförderprogramm, kann sich die Archäologin Ivonne Weiler-Rahnfeld an jene Arbeit machen, die nach einer Grabung kommt. Sie wertet derzeit die Fundstücke der Siedlung von Bechlinghoven aus, rund hundert Kisten voll. „Ich versuche im Grunde aus dem Müll zu lesen, den die Menschen damals hinterlassen haben“, sagt sie.
…..
Wer aber waren diese Franken, die sich zu Beginn des 6. Jahrhunderts erstmals am Mühlenbach niederließen? Woher kamen sie? Die Gegend gehörte damals zum sogenannten Auelgau, der schon in dieser Zeit von einem Gaugrafen regiert wurde – vermutlich, denn schriftliche Quellen gibt es über diese frühe Phase nicht. Und ob die fränkischen Kleinkönige, die in schöner Regelmäßigkeit ihre blutigen Fehden austrugen, im Leben dieser Menschen eine Rolle spielten? Niemand weiß es.
Keine Antworten, aber Hinweise
Solche Fragen wird wohl auch Ivonne Weiler-Rahnfeld nicht beantworten können, dafür aber hat sie jede Menge Material, das Aufschluss über den Alltag gibt. Die Siedler bauten nicht nur Langhäuser, die an die westfälische Bautechnik jener Zeit erinnern, sondern auch in den Boden eingetiefte Häuser.
In solchen Grubenhäusern herrschte eine gleichmäßig hohe Luftfeuchtigkeit – eine Voraussetzung, um Flachs zu Leintuch verarbeiten zu können. Auch fanden die Archäologen Webgewichte aus Stein und Ton. Funde aus Metall wurde nur wenige gemacht, eine versilberte Gürtelschnalle etwa, oder eine gelochte Münze mit einem Christusmonogramm.
Doch vor allem ist da eine schier endlose Fülle an Keramik in allen Formen und Brandarten. Derzeit arbeitet Weiler-Rahnfeld an einer neuen Chronologie der Keramik, die Funde von Bechlinghoven könnten eine Hilfe bei der Interpretation künftiger Funde sein.
Von der Siedlung selbst wird dann nichts mehr zu sehen sein, und wohl nur die wenigsten Neu-Bechlinghover werden wissen, dass in ihrem Vorgarten vor 1500 Jahren vielleicht eine Franke seine Ziege gemolken hat.
Aus einer PM des LVR Amt für Bodendenkmalpfege….
Als die Untersuchungen in der frühmittelalterlichen Siedlung von Bonn-Bechlinghoven 2013 abgeschlossen war, war klar: Sie ist mit 94 Gebäudegrundrissen eine der größten merowinger-zeitlichen Siedlungen in Deutschland. Die Auswertung lässt nicht nur die Rekonstruktion des Siedlungsablaufes erwarten, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Chronologie der früh-mittelalterlichen Siedlungskeramik im Rheinland leisten.
Wir bauen für Sie um! + + +
Im ersten Obergeschoss entsteht aktuell der zweite Teil der neuen Dauerausstellung zu unserer archäologischen Sammlung. Ende nächsten Jahres (2025)werden hier wieder Zeugnisse der Vor- und Frühgeschichte, der Römerzeit und des Frühmittelalters für Sie präsentiert.