STATION 11: STRASSENGESCHICHTEN

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Manche Namen der Straßen in Bechlinghoven klingen ungewöhnlich, ja geheimnisvoll. Offizielle Namen erhielten die Straßen erst mit der baulichen Erweiterung Bechlinghovens Anfang des 20. Jahrhunderts sowie vor allem ab 1950.

Drei Gruppen von Straßennamen
Um den Straßenbezeichnungen einen möglichst unverwechselbaren Charakter zu verleihen, hat man sich bemüht, insbesondere die Straßen der im Zeitraum von ca. 1960 bis 1980 entstandenen Neubaugebiete entweder in Anlehnung an örtliche Flur-und Gewann-Namen zu bezeichnen (Blankert, Bonnet, Bröhl, Haberbitze).

Eine zweite Gruppe nimmt topographische Bezüge (Alte Schule, Kapitelshof, Kohlengrube „Zum Glück”) auf.

Personennamen bilden eine weitere Gruppe. Hier sind die Namen der Karmeliter-Patres, die die Wallfahrten in Pützchen betreuten (Everhard, Flohe, Hasert, Rheden, Vinzenz; s. auch Monheim in Pützchen) zu nennen. Die Straßen der von der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) initiierten Neubau-Siedlung wurden nach Persönlichkeiten der katholischen Sozialbewegung benannt (Adam Stegerwald, Bischof von Ketteler und Mutter Barat) Sie war ist die Ordensstifterin von Sacré Coeur, von dem die Grundstücke dieser Siedlung stammen.

Im Nachfolgenden werden die heutigen Straßennamen einzeln erläutert.
Soweit diese bereits vor 1980 festlagen, geschieht dies in enger Anlehnung an J. Bücher: „Alte und neue Straßennamen im Gebiet der ehemaligen Stadt Beuel”, Studien zur Heimatgeschichte des Stadtbezirks Bonn-Beuel, 1980.

Alte Schulstraße
vorher „Bechlinghovener Kirchweg” (1660) „Vilicher Straße” (AB 1907)
1847 entstand an der Siegburger Straße im Haus Nr. 337 (unweit der heutigen Gesamtschule) eine erste Schule für die Kinder von Bechlinghoven, Pützchen und Vilich-Müldorf. Erst 1895 wurde die Schule in Pützchen an ihrer heutigen Stelle erbaut. Das ehemalige Schulhaus wurde bis 2018 als Wohnhaus genutzt. Nach dessen Abriss entstanden 2022 auf dem Grundstück moderne Gebäude mit 18 Wohneinheiten.

Am Herrengarten
vorher: „Herrn Garten” (1858), „Bahnhofstraße” (AB. 1930)
Herrengarten meint die Herren Quad von Isengarten, die in Vilich-Müldorf einen Hof des Stifts Vilich zu Lehen hatten. Bei Haus und Hof scheint es sich um Grundstücke zu handeln, die zu einer Stiftung zugunsten des Maria Magdalenen-Altars in der Stiftskirche in Vilich gehörten. Die Stiftung wurde laut einer Vilicher Urkunde vom 3.4.1343 errichtet.

Auf den sauren Wiesen
Hier handelte es sich um eine gehölzfreie Feuchtwiese; das Gelände zwischen Ennertwald und Pützchen/Bechlinghoven eignete sich wegen seiner schlechten Bodenqualität nicht als Ackerland.

Blankenbergweg
Mitten durch Bechlinghoven verlief seit Ende des 13. Jh. (etwa 1272) die „Staatsgrenze” zwischen den Herrschaften Blankenberg und Löwenberg. Die Grenze bildete der Mühlenbach, der in etwa dem heutigen Straßenverlauf der Müldorfer Straße folgte. Pützchen und der größte Teil von Bechlinghoven gehörten zum Amt Löwenberg; dagegen Kohlkaul und zwei auf dem rechten Bachufer gelegene Gebäude von Bechlinghoven zum Amt Blankenberg.

Bröhlweg
Bröhl bedeutet: nasse Wiese

Everhardstraße
Der Karmeliter Everhard Schenk setzte nach der Säkularisation (1803) seines Klosters in Pützchen den Gottesdienst in der Wallfahrtskirche fort und starb in Pützchen, etwa 39 Jahre alt, am 29.6.1812.

Fränkische Straße
Die Franken waren ein Zusammenschluss germanischer Stämme in der Mitte des 3.Jahrhunderts, rechtsrheinisch „Rheinfranken“ genannt, ab dem 6. Jahrhundert „Ripuarier“.

Glückstraße
Nach der alten Flurbezeichnung „Auf dem Glück””, die an die frühere hiesige Braunkohlengewinnung erinnert, benannt. Ein westlicher Teil der Glückstraße wurde 1956 der „Alten Schulstraße” (s. oben) zugeschlagen.

Haberbitze
„Bitze” bedeutet eingefriedetes bzw. von der Allmende (Gemeindewiese) abgetrenntes Land; „Haber” meint Hafer. Im Holzlarer Weistum von 1646 als „Haber-Pitz” erwähnt.

Hasertstraße
vorher: „Markusstraße” (Ratsbeschluß 18.7.1967) Der Karmeliter-Pater Markus Monheim musste bei der Säkularisation (1803) Pützchen verlassen, kehrte aber 1827 wieder zurück. Monheim wirkte noch bis zum 19.12.1850 als Geistlicher in Pützchen, wo er, 85 Jahre alt, verstarb. Heute hält die Monheimstraße in Pützchen sein Andenken wach.
Heinrich Hasert war der letzte Eremit am Adelheidis-Brunnen in Pützchen, bevor dort das Karmeliter-Kloster begründet wurde. Er starb 1702; sein Grabstein befindet sich noch heute außen am Chor der Kirche.

Holzlarer Weg
(AB 1907) Der Weg stellt die nächste Verbindung zwischen Holzlar und Pützchen dar.

Im Blankert
Blankert bedeutet: unbewachsenes Gelände. In der Kataster-Uraufnahme von 1824 findet sich in der Flur 29 die Bezeichnung „Auf dem Blankert”

Im Bonnet
Bonnet bedeutet: Wiesenquelle. Eine andere Deutung verweist auf das mittelhochdeutsche Wort „bone” oder „bohne”, was etwas wertloses, geringes meint. Dies könnte hier jedenfalls im Hinblick auf die Bodenqualität, zutreffen. In der Kataster-Uraufnahme von 1824 findet sich in der Flur 29 die Bezeichnung „Auf dem Bonnet”.

Kapitelshof
vorher: Wiesenweg (AB 1907)
(Das Holzlarer Weistum nennt eine ganze Reihe von Wiesen, die teilweise auch durch Einwohner von Bechlinghoven genutzt werden durften.)
Das Kapitel des Stiftes Vilich besaß in Bechlinghoven einen Hof, den es 1299 im Tausch gegen Güter in Attenberg (bei Blankenberg/Sieg) erhielt, vermutlich eine sehr große -inzwischen untergegangene- Hofanlage im heutigen Straßendreieck Alte Schulstraße 2 und Müldorfer Straße 102, die auf historischen Landkarten (Tranchot-Müffling, 1819) eingezeichnet ist.

Karmeliterstraße
Bechlinghoven gehörte -wie Pützchen- zum Herzogtum Berg, dessen Herrschaft 1630 an Pfalz-Neuburg überging. 1688 holte der Pfalzgraf Johann Wilhelm Karmeliter aus Köln an den Adelheidisbrunnen . Diese errichteten neben Brunnen und Kapelle ihr Kloster und dann auch die Wallfahrtskirche. Ihr Besitz wurde 1803 säkularisiert. Von 1926 bis 1998 bewohnten Unbeschuhte Karmelitinnen aus Köln die alten Klostergebäude. Die Karmelitinnen fanden anschließend eine neue Bleibe in Dorsten-Lembeck.

In den denkmalgeschützten Mauern des ehemaligen Karmelklosters wurden 29 Wohnungen, drei Büros und ein Gemeinschaftsraum mit insgesamt ca. 2400 qm Wohnfläche gebaut, die ab Dezember 2000 bezogen werden konnten. In einem angrenzenden Neubau entstanden 21 Wohnungen und im Klostergarten 16 Reihenhäuser.

Marktstraße
Durch Ratsbeschluß vom 18.4.1955 wurde die frühere „Kirchstraße” (von Bechlinghoven bis zur Schule) der Marktstraße zugeschlagen.
Die Straße führt nicht nur zu den Marktwiesen des Pützchens Marktes, in ihr selbst beginnt schon der Markt.

Merowingerstraße
Die Merowinger waren das älteste Königsgeschlecht der Franken vom 5. Jahrhundert bis 751. Bei Ausgrabungen zwischen der Siegburger Straße und der B 56 wurden Grubenhäuser aus der Zeit von etwa 550 bis 750 nach Christus und ein Grab aus der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts nachgewiesen.

Müldorfer Straße
Der 1907 belegte „Heideweg” wurde der Müldorfer Straße zugeschlagen (Amtsblatt 1974). Die Straße führt nach Norden in Richtung Vilich-Müldorf und darüber hinaus zur Hangelarer Heide (Flughafen). Die Alte Schulstraße ist die heutige Verbindung mit Vilich-Müldorf, doch gibt es am nördlichen Ende der Müldorfer Straße diese kürzere Möglichkeit, über einen Feldweg nach Vilich-Müldorf oder über die Bundesgrenzschutzstraße zu gelangen.

Mutter-Barat-Straße
Madeleine-Sophie Barat (1779-1865) ist die Gründerin der Ordensgesellschaft „Dames du Sacré-Coeur”, die von 1920 bis 1985 in Pützchen das St. Adelheid Gymnasium unterhalten hat, welches heute in der Trägerschaft der Erzbistums Köln steht. Die Ordensgesellschaft überließ 1960 der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft Aachen ein ca. 3 ha großes Grundstück in Bechlinghoven, auf dem Familienheime errichtet wurden. (s. von-Ketteler-und Stegerwaldstraße)

Reinold-Hagen-Straße
Dr. Reinold Hagen (1913 – 1990) war Unternehmer, Gründer der KAUTEX-Werke auf der Ortsgrenze von Kohlkaul und Bechlinghoven; 1948-1964 Bürgermeister der Gemeinde Holzlar, 1961 bis 1964 Amtsbürgermeister des Amtes Menden.

Rhedenstraße
Gerhard Rheden aus Köln war einer der sechs Karmeliter-Patres, die im Jahre 1803 im Zuge der Säkularisation das Pützchener Karmeliter-Kloster verlassen mussten (vgl. Hasert-, Modestus-, Monheim-, Everhard-, Vinzenzstr.)

Siegburger Straße
vorher: Beuel-Overrather Chaussee
(1858) viel früher noch „Bonner Straße”. Zeitweilig hat man die Teile der Straße, die nicht in der Gemarkung Beuel liegen, auch Siegburger Landstraße oder Siegburger Chaussee genannt (AB. 1907)

Stegerwaldstraße
Adam Stegerwald (1874 -1945) war deutscher Gewerkschaftsführer und Zentrumspolitiker, 1920-1933 Mitglied des Reichstages, 1921 preußischer Ministerpräsident, später bekleidete er verschiedene Ministerposten; nach der Machtübernahme Hitlers wurde er aus allen politischen Ämtern entfernt.
Am 11. Mai 1945 wurde er von der amerikanischen Militärregierung als erster Regierungspräsident von Unterfranken eingesetzt. Bis zu seinem plötzlichen Tod am 3. Dezember 1945 engagierte er sich beim Aufbau der CSU, die „auf der sittlichen und geistigen Grundlage des Christentums eine neue demokratische Staats- und Gesellschaftsordnung aufbauen” und auf eine „grundlegende europäische Neuordnung hinsteuern” sollte.

Teufelsbachweg
Der Teufelsbach hat sein Quellgebiet nördlich der Forschungsstelle für Jagdwesen an der Pützchens Chaussee und mündet nach 830 Metern südlich der Glückstraße/Holzlarer Weg in den Alaunbach.

Vinzenzstraße
Zu den Karmeliter-Patres, die nach der Säkularisation 1803 das Kloster in Pützchen verlassen mußten, gehörte auch Vinzenz Oberhäuser aus Weng, damals 31 Jahre alt.

von-Ketteler-Straße
Der Straßenname erinnert an Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1811-1877), Zentrumspolitiker und Sozialreformer; zunächst Jurist im Staatsdienst; seit 1844 katholischer Geistlicher; 1848 Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, wo er dem sog. Katholischen Klub angehörte und diesen in eine politische Partei umzuwandeln versuchte. Er war 1849 Probst an St. Hedwig in Berlin; seit 1850 Bischof von Mainz; 1871-1873 Mitglied des Deutschen Reichstages.

Wilhelm Flohe Straße
Die Vilicher Äbtissin Margaretha von Geverzhaen stiftete am 24. Juli 1679 der schon lange neben dem Brünnchen bestehenden und von Eremiten (vgl. Hasert, der als letzter Eremit bekannt ist) betreuten Kapelle eine Kaplanei und übertrug sie dem Priester Wilhelm Flohe.

Dieser Geistliche scheint wohl die Wallfahrt zum Adelheidisbrunnen neu belebt zu haben, so dass 1688 der Pfalzgraf Johann Wilhelm diese in die Obhut einer Ordensgemeinschaft, den Karmeliter-Mönchen, übertrug.

Anmerkung:
AB = Bonner Adressbuch

DANKSAGUNG

Die Gestaltung dieser Station des Geschichtsweges wurde dank finanzieller Unterstützung von Ferdi Weber, Malermeister ermöglicht.

Wir danken dem Denkmal- und Geschichtsverein Bonn rrh. für wertvolle Hinweise und die freundliche Überlassung von Fotos.